Stimmt die Chemie?

Tausendmal gerührt  – tausendmal ist nix passiert;
einmal berührt, alles explodiert!

Frei nach Klaus Lage

Es riecht nicht alles gut, was kracht!

Karl Valentin

„Ethanol im Bier - auch Wein belastet", verkündete die Würzburger „Main Post“ auf der ersten Seite  ihres Lokalteils am 1.4.1986.

Gaststättenpächter forderten daraufhin die Zeitung auf, eine Gegendarstellung zu drucken, da ihre Kunden das Bier verweigern würden. Durch Anrufe verunsicherter Kunden aufgeschreckt, versicherte eine Brauerei in der Nähe Würzburgs, „von einer Verseuchung unseres Bieres mit Ethanol kann nicht die Rede sein“. Eine andere Brauerei erklärte ihren Kunden, eine Chemikalie namens „Ethanol" sei „auf keinen Fall“ in ihrem Bier vorhanden und lud Zweifler zu einer persönli-chen Bierprobe ein.
Die aufgeregten Reaktionen auf den Aprilscherz der Würzburger Zeitung offenbaren ein bedenkliches Defizit chemischer Grundkenntnisse, das leider auch heute noch weit verbreitet ist. Wie sonst könnte es sein, dass selbst einige Brauereien nicht erkannten, dass es sich bei Ethanol um Trinkalkohol handelt, der natürlich in Bier und Wein enthalten ist!
„Wer öffentlich zugibt, Chemie nicht zu verstehen, weckt Sympathien“ – an dieser Klage eines Chemie-Professors hat sich seit jenem Würzburger Aprilscherz vor mehr als einem Vierteljahrhundert wenig geändert. Chemiker kritisierten im „Jahr der Chemie 2011“, dass das Wissen um Chemie in der Bevölkerung kaum ausgeprägt ist. Chemie gilt als unbeliebtes Fach in der Schule. Lässt sich dagegen etwas tun? Das fragen sich nicht nur die Chemielehrer des Kreisgymnasiums Riedlingen. Doch wenden wir uns zunächst der Frage zu: was ist eigentlich Chemie?

Chemie – Schwarze Kunst oder Wissenschaft?

Die Naturwissenschaft Chemie beschäftigt sich mit den Eigenschaften und Veränderungen in der stofflichen Welt. Ob es sich dabei um Vorgänge in Lebewesen, in der Atmosphäre, in der Erdkruste, beim Rosten eines Fahrrads oder beim Braten eines Schnitzels handelt, in allen Fällen geht es um chemische Prozesse.  Chemie ist überall, sowohl in unserem menschlichen Alltag, wie in der belebten und unbelebten Natur. Als wesentliche Grundlage technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen eröffnet die Chemie Wege für die Gestaltung unserer Lebenswelt. In der Ernährungssicherung, der Energieversorgung, der Werkstoffproduktion, der Informationstechnologie sowie der Bio- und Gentechnik stellt sie eine wesentliche Säule unserer Zivilisation dar. Auf Grund ihrer Erkenntnisse und ihrer weitreichenden Anwendungen ist die Chemie eine zentrale Querschnittswissenschaft.
Viele Menschen sehen in der Chemie nur etwas Künstliches und Fremdes, das ihnen nicht geheuer ist. Gleichzeitig berührt die Chemie das Leben eines jeden Einzelnen ganz unmittelbar und jeder fühlt sich von ihr betroffen. Damit zeigt die Chemie ein Doppelgesicht: höchste Nützlichkeit und gleichzeitig bleibt sie für viele unbegreifbar. Das liegt vielleicht auch daran, dass sich die Chemie einer Kunstsprache bedient, einer Formelsprache, wie sie übrigens auch die Mathematik oder die Musik – mit ihrer Notensprache – auszeichnet. Aber der Chemie fehlt die Klarheit der Mathematik, sie ist auch wesentlich komplexer und sie betrifft uns unmittelbar im Alltag.

Aufgaben des Faches Chemie

Zentrale Aufgabe des Schulfaches ist es daher, Schüler behutsam in diese zugegebenermaßen komplexe Materie der Chemie mit ihrer abstrakten Sprache einzuführen. Im Chemieunterricht werden die Schüler mit den spezifischen Fragestellungen, Lösungswegen und Denkstrategien der Chemie vertraut gemacht und den Lernenden werden fachbezogene Kenntnisse und Methoden vermittelt. Dazu gehört auch die Erarbeitung eines Überblicks über wichtige chemische Stoffe und Stoffgruppen.
Ausgehend von der Vielfalt der Stoffe und Stoffumwandlungen weckt der Chemieunterricht das Interesse am Erkunden von Naturvorgängen und technischen Prozessen. Dem Experiment als Methode der naturwissenschaftlichen Welterschließung kommt hierbei zentrale Bedeutung zu. Es erfordert eine präzise Fragestellung, exaktes Beobachten und erzieht zu einer klaren, unvoreingenommenen Beschreibung der Phänomene. Das Analysieren und Deuten der erhaltenen Ergebnisse fördert das Abstraktionsvermögen. Charakteristisch für die chemische Denkweise ist dabei die Notwendigkeit der Verknüpfung einer konkret erfahrbaren Ebene der Stoffe und Stoffumwandlungen und abstrakter Modellvorstellungen auf der Teilchenebene. Somit ist der Chemieunterricht ein wesentliches Element des gesamten naturwissenschaftlichen Unterrichts.
Der Chemieunterricht macht deutlich, dass die Erkenntnisse der Chemie eine bedeutende Kulturleistung darstellen. Er schärft das Bewusstsein dafür, dass die Anwendungen chemischer Kenntnisse erheblich zur Lebensqualität und zum gegenwärtigen Lebensstandard beitragen.
Allen zukünftigen Entscheidungsträgern in der Gesellschaft soll so, unabhängig von deren Beruf, fachliche Kompetenz an die Hand gegeben werden, die ihnen bei der Klärung naturwissenschaftlich-technischer Fragen hilft.

Didaktische Prinzipien des Chemieunterrichts

In allen Phasen des Unterrichts sollen die Kompetenzen und Inhalte mithilfe von sechs Leitlinien erschlossen werden, je nach Thema jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung:

  1. Stoffe und ihre Eigenschaften;
  2. Stoffe und ihre Teilchen;
  3. Chemische Reaktionen;
  4. Ordnungsprinzipien;
  5. Arbeitsweisen;
  6. Umwelt und Gesellschaft.

Die Leitlinien sollen den Wissensaufbau unter fachsystematischen und alltagsbezogenen Aspekten gewährleisten und damit die vertikale Vernetzung zwischen den einzelnen Jahrgangsstufen bilden. Gleichzeitig bilden sie auch durch die Bereitstellung von Fachbegriffen für die anderen naturwissenschaftlichen Fächer die Basis für eine horizontale Vernetzung zwischen verschiedenen Fächern.
Chemie wird in G8 von Klasse 8 bis 10 je zweistündig unterrichtet. Im naturwissenschaftlichen Profil der Klassen 8 bis 10 sind im vierstündigen Hauptfach „Naturwissenschaft und Technik“ (NwT) ebenfalls Themen aus der Chemie enthalten. In der Kursstufe kann Chemie als zweistündiger Basiskurs oder als vierstündiges Kernfach mit Option zur schriftlichen Abiturprüfung gewählt werden.

Chemie am Kreisgymnasium

Folgende Lehrerinnen und Lehrer unterrichten das Fach Chemie im Schuljahr 2012/13 am Kreisgym-nasium Riedlingen:

  • Marlene Ballhause (Chemie/Mathematik)
  • Alexander Hartmann (Chemie/Sport/NwT)
  • Christine Hartmann (Chemie/Biologie/Nat.phän.)
  • Miriam Herold (Chemie/Biologie/NwT)
  • Gerhard Weller (Chemie/Biologie/NwT)

Durch die Renovierung der beiden Fachräume in den Jahren 2002 und 2003 konnte der Fachbereich Chemie auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Dabei wurden beide Unterrichtsräume zu Multifunktionsräumen umgestaltet, die sowohl für lehrerzentrierten Unterricht als auch für Praktika und Gruppenunterricht genutzt werden können.
Über frei stellbare Schülertische sind von der Decke abgehängte sog. „Medienflügel“ installiert, die zur Versorgung mit Wasser, Gas, Netz- und Schwachstrom dienen, sowie mit Datenleitungen für Computer versehen sind.
Dank des großzügig dimensionierten Fachetats durch den Schulträger konnte in den letzten Jahren auch die Geräteausstattung laufend ergänzt und aktuellen Bedürfnissen angepasst werden. Für viele Themenbereiche  stehen  Gerätesätze in mehrfacher Stückzahl zur Verfügung, sodass  auch komplexe Schülerexperimente im Unterricht und in AGs durchgeführt werden können. Fachkollegen, die etwa im Rahmen von Fortbildungen den Fachbereich Chemie besuchen, äußern sich regelmäßig anerkennend über die räumliche und sächliche Ausstattung am Kreisgymnasium.

 

Praktikum im Kernfach Chemie der Kursstufe

Doch Chemie findet am Kreisgymnasium nicht nur im Rahmen des Unterrichts statt. Schüler finden am besten über selbstständiges experimentelles Arbeiten und eigenständiges kreatives Problemlösen Zugang zu dem manchmal recht trockenen und auch theorielastigen Unterrichtsstoff. Seit 1997 nimmt in fast ununterbrochener Folge eine steigende Zahl von Schülern und Schülergruppen mit großem Erfolg an Wettbewerben wie „Jugend forscht“ teil. Mehrfache Platzierungen bei den Bundeswettbewerben und als Krönung der Bundessieg in Chemie 2012 durch den Abiturienten Alexander Emhart sind die Früchte der unermüdlichen Arbeit von Oberstudienrat Hermann Heinzelmann, der seit über 10 Jahren auch nach Eintritt in den Ruhestand weiterhin die Jugend-forscht-AG des Kreisgymnasiums in Zusammenarbeit mit dem Schülerforschungszentrum Südwürttemberg mit großer Leidenschaft und Engagement betreut.

Jugend-forscht-Bundessieger 2012 Alexander Emhart mit Bundesbildungsministerin Schavan und Thüringens Kultusminister Christoph Matschie beim Bundeswettbewerb in Erfurt